Besuch im Weltkurort Bad Gastein in den Salzburger Alpen – über die Einmaligkeit des Ortes könnte man viele Worte verlieren – das „Wolkenkratzerdorf“ in den Alpen ist schlichtweg eine städtebauliche Sensation – welche Baukubaturen da zu beiden Seiten eines tosenden Wasserfalls im Gewand schönster Gründerzeit-Grandezza an die steilen Berghänge gebaut wurden, das verschlägt einem schon mal die Sprache – wer im Tal gestanden hat und die Stockwerke des Grand Hotel del´Europe gezählt hat, der weiss wohl was ich meine.
Doch – wie mittlerweile allgemein bekannt – das historische Ortszentrum ist in Folge einer unglücklichen, fast wahnwitzig zu nennenden Entwicklung bedroht und seine Zukunft umdüstert: Noch lebt das Zentrum rund um die Kaiser-Franz-Joseph-Straße, noch flanieren Touristen durch das Zentrum und sehen zum Gutteil über die eingezäunten, leer stehenden Prachtbauten hinweg. Eine Tafel erklärt in knappen Worten die Situation: Fünf zentrale historische Gebäude im Zentrum befinden sich im Besitz einer Wiener Investmentgesellschaft und harren einer Sanierung und Neunutzung. Doch dies tun sie teilweise schon seit zehn Jahren. Mittlerweile zeigen sich immer deutlicher Spuren der Vernachlässigung und des Verfalls.
Denn 1999 begann der Wiener Immobilienhändler Franz Duval mit seiner Einkaufstour in Bad Gastein: Auf das historische Badeschloss, das traditionsreiche Hotel Straubinger und die ehem. k.u.k. Post folgte später das Kongresszentrum und das „Haus Austria“, in dem die Gemeindeverwaltung samt Museum untergebracht war. Allesamt Gebäude, die zum unverzichtbaren Kern des Städtebau-Ensembles Bad Gasteins gehören und zum Großteil unter Denkmalschutz stehen. Den großen Ankündigungen und Plänen von Revitalisierung Duvals folgten keinerlei Taten – stattdessen kam es zu juristischen Geplänkeln mit der Gemeinde, Verhandlungen über Rückkaufoptionen, sogar der – verständliche – Ruf nach „Enteignung“ wurde laut.
Das Badeschloss – vielleicht architektonisch am bedeutsamsten – wurde 1791 bis 1794 für den Salzburger Fürsterzbischof Colloredo als Kurhaus errichtet, später von Kaiser Franz Joseph erworben und als Hotel genutzt. Berühmtheiten bis hinauf zum deutschen Kaiser Wilhelm I stiegen hier ab. Im März 2013 brach im Dachstuhl des leerstehenden Gebäudes ein Brand aus – offenbar gelegt von zwei Saisonarbeitern im trunkenen Zustand, wie Medien berichteten. Das Dach wurde daraufhin gesichert, weitere Maßnahmen, vor allem um der durch die Löscharbeiten verursachte Feuchtigkeit und Schimmelbildung zu begegnen, stehen noch an.
Gegenüber des Badeschlosses steht das Hotel Straubinger, historisch bedeutsam als Ort der Unterzeichnung der Gasteiner Konvention von 1865, die die Herrschaft über die Herzogtümer Schleswig und Holstein zwischen Preußen und Österreich regelte. Eine Sanierung wäre jetzt notwendig, um den einsetzenden Verfall zeitgerecht zu stoppen.
Schließlich das Haus Austria und das Kongresszentrum. Die Läden im Erdgeschossbereich sind leergezogen, ein Bauzaun aufgezogen. Was beim „Haus Austria“ schmerzt, sieht beim Betonbau des Kongresszentrum anders aus. Angeblich gibt es Leute, die sich für den brutalistischen Sichtbetonbau als wichtiges Beispiel der österreichischen Nachkriegsarchitektur begeistern können, und vielleicht mag er an anderer Stelle und freistehend ja auch eine gewisse Wirkung entfalten. Hier aber, brutal ins historistische Stadtgefüge gesetzt, kann und wird der Bau einer Fremdkörper, ja Misston bleiben. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass hierfür die historische Wandelhalle (Wandelbahn) abgetragen wurde, schüttelt man aus heutiger Sicht darüber den Kopf.
Der Modernitätswahn, dem Bad Gastein damals erlegen war, hielt einige Zeit an. Man denke nur an das von der Idee her gute, in der Umsetzung aber unmögliche Parkhaus hinter dem „Haus Austria“. Ein Skandal, der aber mancherorts noch als Fortschritt bezeichnet wurde, war der 2006 erfolgte Abriss des prächtigen Hotelbaus des „Gasteinerhofs“. Und den nächsten Abriss-Kandidaten kann man ganz in der Nähe des Zentrums, gegenüber des „Hotel del´Europe“, ausmachen: den reizvollen Schweizerstil-Bau der „Villa Hollandia“, der schon deutlich die Spuren langjährigen Verfalls trägt, aber ohne Zweifel ein Verlust für das Stadtbild sein würde.
Man darf nur hoffen, dass solche Abrisse keine Menetekel sind für die Duvalschen Gebäude. Das Schlimmste an der Situation scheint ja, dass sich in naher Zukunft keine Lösung abzeichnet. Im Gegenteil: auch nach dem Tod von Franz Duval im Oktober letzten Jahres, hört man von dessen Sohn und Erben hochfliegende Zukunftspläne, aber nichts Konkretes.